Storytelling par excellence: So bleiben Produkte und Themen in Erinnerung

Vor kurzem blieb ich an einer Stellenanzeige hängen und musste laut lachen: ASTRA suchte einen „Remmidemmi Manager“ mit „Herzanker im 0,33-Liter-Takt“ und „Was dagegen? als Antwort auf alles“. – Der Titel, die Wortwahl: alles schrie förmlich nach „Was ist das denn?“ Und schon war meine Aufmerksamkeit geweckt. Dabei kam das Layout ganz klassisch daher: Dein Job, dein Auftrag… Alles, wie man es üblicherweise aus einer Stellenanzeige kennt und doch komplett anders als das meiste, was wir sonst lesen. Wer genauer hinsieht, versteht, warum diese Anzeige so eingeschlagen ist und in Erinnerung bleibt: Sie lebt vom Storytelling par excellence.

Astra Remmidemmi Manager

Der Überraschungsmoment
Es ist das Unerwartete, das uns genauer hinschauen lässt und damit unsere Aufmerksamkeit weckt. Ein „Remmidemmi Manager“ ist nichts, was uns geläufig ist, die jeweiligen Wortbestandteile sind es jedoch sehr wohl. Und mit diesen sprachlichem Kontrast von „Remmidemmi“ (= außer Rand und Band) und Manager (= seriös, zielstrebig, erfolgsorientiert) beginnt unser Hirn zu arbeiten und zu assoziieren. Es heißt „A story can get your whole brain at work“ und genau das hat der Bierbrauer aus Hamburg bezweckt. Denn es sind (sprachliche) Bilder und Geschichten, die uns in Erinnerung bleiben, die wir weitererzählen, liken, teilen. Sie multiplizieren sich und werden in die Welt getragen. Genau darum geht es: Aufmerksamkeit, Weitererzählen, Ankommen – und im Fall von ASTRA schließlich darum, aufmerksamkeitsstark relevante BewerberInnen anzusprechen.

Die Emotionen
Bereits 1932 kam Professor Charles Bartlett in seiner Untersuchung „War of the Ghosts” zu dem Schluss, dass Storytelling ein fundamentales Muster des menschlichen Denkens bildet. Kommt es im menschlichen Gehirn doch immer auf Verknüpfungen an. Diese neuronalen Verschaltungen tragen maßgeblich zum Verständnis und Lernen bei. Darüber hinaus sind Bilder, die wir sehen oder die im Kopf entstehen, besonders wichtig, um Gelesenes, Gehörtes oder Gesagtes zu begreifen. Nicht umsonst greifen wir in der Alltagssprache oft zu anschaulichen Bildern wie etwa: Das ist so groß wie ein Apfel oder so weit wie von Hamburg bis München. Bilder und Vergleiche können zudem wesentlich dazu beitragen, Gefühle zu erzeugen. Emotionen sind ein weiteres wichtiges Element des erfolgreichen Storytellings. In meinem Beispiel ist es neben dem überraschenden Titel in jedem Fall auch die Sprache insgesamt, die Emotionen auslöst: Lachen, Freude, Erstaunen.

Die Ansteckungskraft
Ich habe mich selber ertappt, dass ich diese Stellenanzeige zigmal weitergeleitet und kommentiert habe, anderen persönlich davon erzählt habe und wir – schau her! – gemeinsam gelacht haben. Und dies, obwohl weder ich noch diejenigen, denen ich den Link geschickt hatte, auf Stellensuche waren. Ich habe jedoch festgestellt: Die Gefühle, die die Sprache bei mir ausgelöst haben, empfinden andere ähnlich. Viele von ihnen werden sie ebenfalls geteilt oder anderen davon erzählt haben. Und schon haben wir ein weiteres Element gelungenen Storytellings: Gute Geschichten sind viral. Sie sind ansteckend und verbreiten sich auf unterschiedlichem Wege: von Mund-zu-Mund, geteilt als Nachricht, in Social Media-Posts, Blogs…

Der Held
Kern- und Angelpunkt einer guten Geschichte ist ihr Protagonist, wir sprechen vom Helden der Reise. In unserem Fall ist das der „Remmidemmi Manager“. Letztlich sucht die Brauerei jemanden, der sich ums Marketing kümmert und die Marke pusht. Dabei geben die Verantwortlichen für die Stellenanzeige diesem Helden ein konkretes Gesicht bzw. implizieren Charakterzüge – allein durch die Wortwahl. „Dein Job: Die Marke ASTRA in der Hamburger Szene so richtig aufmischen! … Du sorgst dafür, dass ASTRA länger in den Köpfen bleibt als der HSV in der 1. Liga…“ Die Sprachwelt entspricht dem gesamten Markenauftritt der Biersorte: Sie balanciert zwischen hoch kreativ, forsch bis frech – ohne dabei überzogen, albern oder verletzend zu sein. Zeitgleich ist die Sprache Spiegel der Haltung des Unternehmens und prägt wesentlich sein Image. Es geht um ein Unternehmen, in dem der Held gerne arbeitet, in dem man sich auf „Du“ begegnet, in dem Einsatzbereitschaft und Eigeninitiative groß geschrieben werden, aber auch gemeinsam gefeiert werden darf. Dabei ist die Auswahl der Sprache ganz gezielt so gewählt, dass sie auch genau die BewerberInnen erreicht, mit denen sich das Unternehmen selbst identifiziert, nämlich solche, die gelassen, zielstrebig, mutig und innovativ sind.

Beispielbild Astra-Pils Werbung
Quelle: Pinterest

Der gute Grund
ASTRA zeigt eine klare Haltung, verwendet verlässliche Botschaften, die konsequent auf allen internen und externen Kommunikationskanälen crossmedial an die entsprechenden Zielgruppen ausgespielt werden, um so nachhaltig ein Image zu kreieren, das glaubwürdig ist, Vertrauen schafft und in Erinnerung bleibt. Und damit dies so bleibt, braucht jede Geschichte einen guten Grund, erzählt zu werden – im Fall der Jobanzeige ganz konkret: Es geht um den Wunsch, die vakante Stelle zu besetzen.

Die Verlässlichkeit
Wie sehr der Bierbrauer Storytelling verinnerlicht hat, erkennt jeder, der einmal in der gleichnamigen Lounge im St. Pauli-Stadion in Hamburg war. Neulich hatte ich bei einer Stadionbesichtigung mit meinen Neffen die Gelegenheit dazu (Und nein: Ich stehe nicht auf ASTRAS Payroll!). Wer den Raum betritt, wird noch in der gleichen Sekunde von Nostalgie umarmt und erkennt beim genaueren Hinsehen der zum Teil Jahrzehnte alten Werbemittel, wie lange diese Geschichte schon trägt. Alles hat eine Handschrift, ein Wording, eine konsequente Sprache: Das St. Pauli-Herz, der Anker, die Worte „geil“, „Was dagegen?“, das „Du“, die gewollte Provokation als Hingucker – es springt jeden förmlich an – vom Etikett der ASTRA-Knolle bis hin zur großflächigen Plakatkampagne und Videoformaten.

Brot für die Welt - Weniger ist leer
Quelle: Brot für die Welt

Der Erfolg
Eine gute Story trägt – kurz- wie langfristig – und kann maßgeblich zum Markenbranding beitragen. Es geht dabei um Authentizität, um Verlässlichkeit, oft auch um Mut, etwas abseits des Mainstreams zu wagen und darum, sich innerhalb dieser Strategie stets neu zu erfinden, ohne vom Weg abzukommen.
Das Tolle ist: Manchmal braucht es nur sehr wenig, um Storytelling in die Umsetzung zu bringen und oft muss sie nicht so umfassend wie dieses Beispiel sein, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Gute Beispiele sind etwa die Plakatkampagne „Weniger ist leer“ der Hilfsorganisation Brot für die Welt. Aber auch die eines österreichischen Hofbetreibers, dessen Idee von der „Kuh for you“ seit Jahren erfolgreich ist. In beiden Beispielen werden Sie die oben genannten wesentlichen Bestandteile für erfolgreiches Storytelling direkt und indirekt finden. Dank Social Media erfolgt auch hier die Verbreitung der Geschichten in Windeseile und ermöglicht nicht nur Reichweite, Bekanntheitsaufbau und Imagepflege, sondern auch ganz konkret die Messbarkeit der Kampagnen.

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Meike Maria Lücke ist Gründerin und geschäftsführende Inhaberin von elbfeder Kommunikation in Hamburg.