• Marketing für mittelständische Familien­unternehmen

     

    Gegenseitiges Verständnis birgt große Chancen

    MARKETING FÜR MITTELSTÄNDISCHE FAMILIENUNTERNEHMEN

Marketing hatte den Status der reinen Verkaufsförderung

Der deutsche Mittelstand ist die zentrale Wirtschaftskraft des Landes. Sie schafft Arbeitsplätze, macht Milliarden­umsätze und ist zu einem großen Teil seit Generationen in Familienbesitz. Ohne Vorurteile bedienen zu wollen, sind viele Unternehmen langfristig ausgerichtet. Treue Partnerschaften, gewachsene Logistikketten und traditionelle Unternehmenswerte sind die Regel und machen sie zu verlässlichen Geschäftspartnern im In- und Ausland.

Was als generationsübergreifende Stabilität gesehen werden kann, hat jedoch in einer immer schneller drehenden Welt seine Schattenseiten. Manchmal ist es versäumt worden, Abläufe zu überdenken oder zu automatisieren. Das Denken in liebgewonnenen Strukturen betrifft aber auch die Organisation des Unternehmens. Abteilungen für Controlling, Qualitätssicherung oder Customer-Relationship-Management wurden entweder gar nicht oder sehr spät aufgebaut.

Auch das Thema Marketing wurde lange Zeit vernachlässigt. Marketing war in den Augen mancher Geschäftsführer schlicht Werbung. Und Werbung wiederum war nichts anderes als Verkaufsförderung, man könnte auch sagen: Produktvorstellung. Werte, Leistungen und auch hoch innovative Neuschöpfungen wurden weniger vermarktet, als vielmehr einer geneigten Zuhörerschaft „verdeutlicht“. Das Produkt hatte zu überzeugen und was an Selbstdarstellung darüber hinausging, wurde oft als schaumschlagende Werbetrommel eher kritisch gesehen.

 

Ein neues Verständnis von Marketing

Was gutes Marketing eigentlich leisten kann, wurde vielen Menschen vielleicht erst mit dem Siegeszug von Apple deutlich. Wer ein iPhon kauft, kauft schließlich nicht nur die Technik, die gut sein mag oder auch nicht. Er kauft die Wertigkeit, Exklusivität und das Lebensgefühl, das Apple verkörpert und über Jahre bewusst aufgebaut hat. Apple hat sich selbst als Marke erschaffen und diese Marke ist weitaus mehr als die Summe aus Qualität und Preis-Leistungs-Verhältnis.

Gerade in Deutschland gewinnt dieses Umdenken an Brisanz, je schwieriger es wird, geeignete Fachkräfte zu finden und zu binden. Denn bei der Suche nach geeigneten Arbeitgebern geht es eben oft nicht nach den reinen Fakten, sondern nach „Namen“. Eine bekannte Marke wird automatisch gleichgesetzt mit guten Arbeitsbedingungen und Berufsperspektiven, unabhängig davon, ob dies wirklich zutrifft oder nicht. Ein gutes Beispiel dafür sind die Automobli­zulieferer. Als es in den Jahren ab 2005 darum ging, den Hybridmotor voranzubringen, da suchten die Entwickler des Mittelstandes händeringend nach Studienab­gängern, diese aber kannten nur die Namen der großen Automobilmarken, sie wollten also am liebsten direkt zu Audi, Mercedes oder BMW. Namen wie Schrick in Remscheid, immerhin der Entwickler des 1000 PS Bugattimotors, kannten die wenigsten. Da begriffen die kleineren Unternehmen, dass eine Marke mehr ist, als ein verchromtes Logo vor dem Kühlergrill.

Dass Marketing von vielen mittelständischen Familien­unternehmen so wenig Beachtung fand, lag aber nicht nur an den Unternehmen, sondern auch an den Marketingfachleuten selbst. Viele große Agenturen hatten sich auf international ausgerichtete Großunternehmen spezialisiert und entdecken den Mittelstand erst in der Werbekrise 2003 als potenziellen Kunden. Als viele große Etats wegfielen, schaute man, was hier zu holen war und große Namen waren sich nicht zu schade, auch bei B2B-Unternehmen anzuklopfen. Das Problem: Die erfolgsverwöhnten Marketing­agenturen entwickelten häufig kostspielige Kampagnen und Konzepte, die an dem Bedarf des Unternehmens völlig vorbei gingen. Der Ruf des Marketings litt darunter und wurde noch mehr als teures „Werbe-Blabla“ ohne konkreten Mehrwert abgetan. Aus eigener Erfahrung kann ich mich daran erinnern, wie der Marketingleiter eines größeren Unternehmens der Baubranche zu mir sagte: „Die Agentur erzählt mir was von ‚Love Brands‘, aber unsere Kunden sind Ingenieure und Investoren, die am Ende vor allem die Brandschutzklasse unserer Produkte interessiert.“

Kleinere Agenturen können dieses Missverständnis häufig weitaus besser überwinden. Sie sind oft regional verwurzelt, flexibel und schnell und setzen auch aufgrund der viele einfacheren internen Strukturen auf das pragmatische Gespräch von Mensch zu Mensch. Das Geld, das sonst in schillernde und scheinbar hochinnovative Marketing­konzepte gesteckt wird, investiert man hier eher in eine langfristige Partnerschaft, in der die Agentur sich aufwändig in die Arbeitsabläufe, die Technik und die Wettbewerbs­situation hineinarbeitet, um mitreden und vor allem mitdenken zu können.

 

 

Beispiel Corporate DesignSchema Corporate Design

 

Nicht so cool wie Elon Musk, dennoch innovativ

Der Mittelstand steht in der Zeit des Internets zudem in Konkurrenz mit Firmen, die gerade zwei oder drei Jahre alt sind und die die aktuellen Marketing­instrumente sehr gut nutzen. So wird innovatives Denken und Handeln zunehmend den jungen Internet Start-Ups zugeordnet, der Mittelstand spielt hier immer weniger eine Rolle. Das mag aber auch daran liegen, dass man die eigenen Lösungen zu spärlich oder auf den falschen Kanälen in die Öffentlichkeit bringt. Ein höchst innovatives Unternehmen in Ostwestfalen arbeitet beispielsweise seit ca. 20 Jahren an lösungsfreien Techniken zur Oberflächen­behandlung, aber kaum ein Wirtschafts­magazin berichtet darüber, dabei sind die Anwendungs­möglichkeiten fast grenzenlos. Manchmal ist das Problem des Mittelstands, dass er nicht so cool daher kommt wie die Samwer-Brüder oder Elon Musk – klingt unwissenschaftlich, aber da ist was dran.

 

Attraktiv genug für Fachkräfte?

Ein dringliches Thema ist und bleibt der oben bereits erwähnte Fachkräftemangel, für dessen Überwindung noch viel zu tun ist. Hier ist das Thema Employer Branding zwar beim Mittelstand angelangt, aber die kurzfristige Fachkräfte-gesucht-Kampagne wird am Ende meist der ernsthaften Entwicklung einer Arbeitgebermarke vorgezogen. Das ist schade, denn vielen familiengeführten Unternehmen täte es gut, die eigenen Stärken und Schwächen im Bereich „Humankapital“ auf den Prüfstand zu stellen und sich auch mit der eigenen Unternehmenskultur auseinanderzusetzen.

Während der Befragung einiger Angestellter eines 1.800 Mitarbeiter großen Familienunternehmens wurde erwähnt, dass man die beiden Junior-Chefs mit „Du“ ansprechen könne, was allgemein gut ankam. Das ist natürlich keine große Sache möchte man meinen, aber das, was hinter dieser Aussage steht, ist weit mehr. Die Hierarchie ist zwar gegeben, aber das Duzen macht die Unternehmensführung nahbar und damit nicht unantastbar. Probleme können auf dieser Basis besser angesprochen werden und zudem fühlt man sich schneller als Teil des Unternehmens. Das muss natürlich zu den Persönlichkeiten passen und auch gelebt werden, sonst ist es am Ende nur ein Anbiedern an die Angestellten. Genau diese Beobachtung ist Teil der Markenbildung und sollte von Agenturen begleitet werden, um die Erkenntnisse marketingtechnisch einzusetzen.

 

Beispiel menschmark

 

Wie digital muss die Werbung werden?

„Ich kann das Thema Digitalisierung nicht mehr hören“, so die Aussage eines Geschäftsführers beim letzten Treffen. Das ist gut zu verstehen, denn gerade hier gibt es viel Hybris, Ungewissheit und letztlich viele inhaltsleere Versprechen, die schnell verpuffen. Wie viel vom Werbebudget soll digital genutzt werden? Man hat zwar ein tolles CRM-System, aber wie verknüpft man das nun mit den vielen neuen Kanälen? Muss man bei Facebook noch mitmachnen, wo doch schon fast alle bei Instagram sind? Gibt es B2B-Kontakte nur noch über XING und LinkedIn?

Viele Agenturen sehen sich als Heilsbringer in der digitalen Welt und versprechen vollmundig Erfolge, die scheinbar wie von selbst kommen. Wer sich aber nicht mit dem Kunden und seinen ganz eigenen Gegebenheiten befasst, der fährt auf Dauer in die falsche Richtung. Das gilt für Agenturen sowie für deren Auftraggeber gleichermaßen. Wenn ein lokales Handelsunternehmen über eine Tageszeitung doch 75% seiner Zielgruppe erreicht, warum soll es auf einmal nur auf Facebook oder über Google werben? Leider nutzen viele Agenturen die Unwissen auf Seiten der Kunden im Hinblick auf digitale Werbeformen schamlos aus. Und ein Verzeichnis für seriöse Werbeagenturen gibt es leider nicht.

Eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten digitalen Plattformen ist aber unumgänglich. Wissen muss hier auf Seiten der Unternehmen aufgeholt werden. Schon jetzt gehen ca. 4 Milliarden Euro der Werbeausgaben allein an Google (Wert für Deutschland laut Statista) und für B2C Unternehmen geht wohl auch kein Weg vorbei an Amazon und Facebook – letztere organisieren mit dem Business-Manager ja ebenso die Instagram-Werbung. Welche Plattform für welches Business wichtig oder unwichtig ist, wird jährlich neu zu bewerten sein. Neue Anbieter wie beispielsweise Otto stehen bereit und werden ihren Teil dazu beitragen, dass die digitale Werbewelt noch weiter wächst.

 

Schöne Konzepte allein reichen nicht aus

Wir sehen also: die Aufgaben des Marketings im Mittelstand sind zahlreich. Dabei darf man bei allen theoretischen Marketing­ansätzen nicht vergessen, dass letztlich das Unternehmen selbst am besten weiß, was es braucht. Gerade größere Agenturen laufen Gefahr, in ihrer Marketing-Blase festzuhängen und vor lauter kommunikations­wissenschaft­licher Strategie und Design-Verliebtheit den eigentlichen Sinn und Zweck aus den Augen zu verlieren. Diese selbst­verliebte „Blindheit“ weckt auf Kundenseite altbekannte Vorbehalte gegen jene „Werbe-Fuzzis“, die außer vielen schönen Worten wenig Sinnvolles beizutragen haben. Dieses hinderliche Missverständnis muss überwunden werden, denn beide Seiten haben ihr Wissen und ihre Stärken, die gemeinsam genutzt werden sollten.

Vor einigen Jahren hatte ich Kontakt zu einer Firma, der ein tolles neues Markenkonzept verkauft worden war, auch einige grobe Entwürfe für Imagebroschüren gab es, aber an die fachbezogene Information hatte man nicht gedacht. Das große Marken­konzept blieb also in schönen Bildern auf den Titelseiten der Imagebroschüren hängen. Somit stand die Marketing­abteilung etwas verlassen da und benötigte nun konkrete Hilfe bei der Realisation von Datenblättern und Produkt­informationen. Wir halfen da gern und mussten feststellen, dass man auf Kundenseite froh war, dass eine Agentur auch zuhören und nicht nur reden konnte, und dass am Ende etwas Handfestes entstand, was auf Messen und an Kunden verteilt werden konnte. Hier habe ich begriffen, warum viele Mittelständler den Werbern so kritisch gegenüber stehen: es wird oft viel versprochen, aber am Ende bleiben nur wenige greifbare Ergebnisse.

Es bleibt also die Aufgabe der Annäherung auf beiden Seiten: Die Agenturen müssen sich weiterhin intensiv mit den Märkten befassen, in denen sich die Kunden bewegen und letztere müssen den Agenturen einen Vertrauens­vorschuss geben, damit diese frei an kreativen Lösungen arbeiten können und nicht zu früh ausgebremst werden.

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Gern unterhalten wir uns mit Ihnen über Ihre Fragen zum Thema Werbung und Marketing.
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